N. 4 - Die Wirtschaft der Autonomen Provinzen Trient und Bozen (versione in tedesco)Rapporto annuale

Die Wirtschaft der Provinzen Trient und Bozen und die Covid-19-Pandemoie

Die pandemiebedingte Krise traf die Wirtschaft in Trentino und Südtirol in einer Phase des konjunkturellen Abschwungs. 2019 war das BIP in Trentino und Südtirol um 0,1 bzw. 0,4 Prozent gestiegen (Quelle Prometeia). Die Abbremsung des BIP war in der Provinz Trient auf die deutliche Abschwächung im verarbeitenden Gewerbe und in der Provinz Bozen auf die Verlangsamung der touristischen Übernachtungszahlen und der damit verbundenen Dienstleistungen zurückzuführen. Die jüngsten Schätzungen der Landesstatistikämter deuten darauf hin, dass das BIP für das laufende Jahr einen deutlichen Rückgang verzeichnen könnte, der im Großen und Ganzen den Prognosen für Italien entspräche.

Die Unternehmen

Die Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie hatten relevante Auswirkungen auf die Geschäftstätigkeit der Unternehmen. Die Inlandsnachfrage wird zumindest in der ersten Jahreshälfte stark sinken. Bei den Auslandsverkäufen – die ihr Wachstum im Trentino bereits 2019 deutlich abgeschwächt hatten – wird die Nachfrage der wichtigsten Handelspartner von Trentino und Südtirol im laufenden Jahr um mehr als 10 Prozent nachlassen. Am stärksten ist derzeit der Tourismus betroffen, der in den letzten Jahren die Entwicklung im Dienstleistungssektor wesentlich unterstützt hatte. Die Schließung der Aufstiegsanlagen Anfang März und die Maßnahmen zur Begrenzung der Mobilität bewirkten einen Rückgang der Übernachtungszahlen in den ersten vier Monaten von über 25 Prozent. Der Neustart der Branche wird nur schrittweise erfolgen, was sich negativ auf die Sommersaison auswirken könnte, die mit mehr als 60 Prozent zu den jährlichen Übernachtungen beiträgt. Die negativen Auswirkungen auf den Tourismus könnten in Südtirol aufgrund der größeren Abhängigkeit von internationalen und damit kaufkräftigeren Kunden stärker ausgeprägt sein.

Die Unternehmen in der Region planten bereits eine erhebliche Einschränkung der Investitionsausgaben, die sich schon 2019 verlangsamt hatten. Die Wirtschaft der autonomen Provinzen stellt sich der gegenwärtigen Krise allerdings finanziell stärker als in der Vergangenheit: Im letzten Jahrzehnt stiegen Rentabilität und Eigenkapitalausstattung, die Verschuldung sank und umfasst wieder mehr mittel- und langfristige Verbindlichkeiten. Insgesamt verringerte sich der Anteil
finanziell anfälliger Unternehmen. Die angeordnete Schließung der Geschäftstätigkeiten steigerte jedoch den Liquiditätsbedarf der Unternehmen. Ohne die von der Regierung eingeführten Maßnahmen, die den Zugang zu neuen staatlich abgesicherten Darlehen ermöglichen, aber unter Berücksichtigung der außerordentlichen Maßnahmen im Zusammenhang mit Zahlungsaufschub und Lohnausgleichskasse, bestünde für rund ein Viertel der Unternehmen im Trentino und fast ein Drittel der Unternehmen in Südtirol, die in Sektoren tätig sind, die von der Betriebsunterbrechung betroffen waren, das Risiko der Zahlungsunfähigkeit, vor allem in der Handelsbranche.

Die Maßnahmen der Regierung zur Stützung der Finanzlage der Unternehmen[1] und die verstärkte Nutzung der verfügbaren Kreditlinien führten im ersten Quartal zu einer leichten Beschleunigung der Kreditvergabe an Unternehmen. Dieses Wachstum wurde durch die Zunahme der Kreditvergabe an größere Unternehmen bestimmt, die bereits im letzten Jahr gestiegen war. Die Kreditvergabe an kleine Unternehmen verzeichnete in Südtirol wieder einen Anstieg, während sie im Trentino seit neun Jahren rückläufig ist.

Der Arbeitsmarkt und die privaten Haushalte

Die Auswirkungen auf die Beschäftigung waren beträchtlich, in einem Umfeld, das bereits im zweiten Halbjahr 2019 zu bremsen begann. Die Daten aus den obligatorischen Meldungen zeigen eine signifikante Abnahme der Arbeitsstellen in den Monaten März und April dieses Jahres, vor allem in der Provinz Bozen; die Verringerung geht fast ausschließlich auf den Dienstleistungssektor, insbesondere auf die mit dem Tourismus verbundenen Sektoren zurück. Der Rückgang der Beschäftigtenzahl könnte bei den befristeten Arbeitsverhältnissen stärker ausgeprägt sein, die im Trentino in den letzten zehn Jahren sehr zugenommen und größeres Gewicht erlangt haben als im restlichen Italien. Trotz der starken Verschlechterung der Beschäftigungsaussichten zeichnen sich die autonomen Provinzen noch immer durch sehr hohe Beschäftigungsquoten im Vergleich zum Rest des Landes aus.

Die Finanzlage der privaten Haushalte im Trentino und in Südtirol bleibt weiter stabil. Das Vermögen der privaten Haushalte entspricht etwa dem Zehnfachen des verfügbaren Einkommens und verzeichnete seit 2008 sowohl bei den Sachwerten, als auch bei den Finanzanlagen einen mäßigen Anstieg. Bei Letzteren war außerdem eine Umschichtung des Portfolios zugunsten schnell flüssiger und stärker diversifizierter Anlagen zu beobachten; dies könnte dazu beitragen, die negativen Auswirkungen der fallenden Aktien- und Anleihekurse in den letzten Monaten abzumildern.

Die Vergabe neuer Darlehen war im ersten Quartal nach vier Jahren starken Wachstums deutlich rückläufig. Auch der Konsumkredit verzeichnete eine beträchtliche Verlangsamung in Verbindung mit dem starken Rückgang des Konsums der privaten Haushalte und der Verschlechterung der Arbeitsmarktbedingungen. Die Verschuldung der privaten Haushalte ist im internationalen Vergleich nach wie vor gering.

Der Kreditmarkt

Im ersten Quartal dieses Jahres stiegen die Bankkredite an den nichtfinanziellen Privatsektor in beiden Provinzen weiter an und setzten damit die Entwicklung von 2019 fort. Im Trentino setzte sich die seit 2013 laufende Umschichtung des Kreditmarktes zugunsten außerregionaler Kreditinstitute fort. In Südtirol war die Dynamik bei den verschiedenen Bankenarten ähnlich: Das Südtiroler Bankenwesen ist

nach wie vor stark lokal geprägt und damit italienweit eine Besonderheit. Die Kreditqualität verbesserte sich; die Bonitätsverschlechterungsrate liegt im nationalen Vergleich und in der historischen Perspektive auf einem niedrigen Niveau. Zu dieser Entwicklung trug in den letzten zehn Jahren eine Veränderung der Zusammensetzung der Kreditnehmer hin zu größeren Unternehmen mit solideren Jahresabschlüssen bei. Auch die Deckungsraten der notleidenden Kredite erreichten im Jahr 2019 einen sehr hohen Stand, wodurch es den Kreditinstituten ermöglicht wird, die derzeitige Krise unter deutlich verbesserten Bedingungen zu bewältigen als in der Vergangenheit.

Das dezentralisierte öffentliche Finanzwesen

Um die mit der Verbreitung des Covid-19 verbundene Notlage zu bewältigen, wurden auf nationaler Ebene zusätzliche Finanzmittel zur Verfügung gestellt, dank derer neues Gesundheitspersonal eingestellt und die Anzahl der Betten für die intensivmedizinische Behandlung beträchtlich erhöht werden konnte, ohne die es nicht möglich gewesen wäre, auf dem Höhepunkt der Epidemie das Patientenaufkommen zu bewältigen.

Die Haushalte der Lokalkörperschaften, die Anfang 2019 keine Defizite aufwiesen, werden sowohl auf der Ausgaben-, als auch auf der Einnahmenseite unter dem Einfluss der negativen Auswirkungen des Gesundheitsnotstandes stehen, auch wenn - bezogen auf die Gemeinden - diese Auswirkungen erwartungsgemäß weniger stark sein werden als im restlichen Italien. 

Ergänzend zu den unterstützenden Maßnahmen auf nationaler Ebene stellten die beiden autonomen Provinzen Mittel für die lokale Wirtschaft bereit, indem sie ihren Haushaltsvoranschlag um rund 150 Millionen Euro im Trentino und um 235 Millionen Euro in Südtirol erhöhten, wobei diese zusätzlichen Mittel in erster Linie zur Stützung von Produktionstätigkeiten bestimmt sind.

Die mittelfristigen Aussichten

Die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie erfordern eine Anhebung des Wachstumspotenzials der Wirtschaft. Seit 2007 lag die Entwicklung des BIP in beiden Provinzen über dem nationalen Durchschnitt, vor allem in Südtirol, war aber geringer als in anderen europäischen Regionen mit ähnlicher Wirtschaftsstruktur sowie geographischen Gegebenheiten. Das Wirtschaftswachstum wurde durch den Rückgang der Gesamtfaktorproduktivität (die den Grad der Effizienz darstellt, mit dem die Produktionsfaktoren in der Wirtschaft kombiniert werden) gebremst, der – nur in der Provinz Bozen – durch eine erhebliche Expansion der Investitionen ausgeglichen wurde. In Südtirol könnten die Wachstumsaussichten jedoch durch den allmählichen Verlust an Humankapital aufgrund einer starken Abwanderung italienischer Staatsbürger, insbesondere Hochschulabsolventen, ins Ausland beeinträchtigt werden, während die Provinz Trient weiterhin Hochschulabsolventen aus anderen italienischen Regionen anzieht. In beiden Provinzen verlangsamte die fortschreitende Alterung der Bevölkerung die Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts und könnte mittelfristig noch größere negative Auswirkungen haben, wenn sich die Geburtenraten nicht ändern.



[1] Gesetzesdekret Nr. 18 vom 17. März 2020 („decreto cura Italia“), mit Änderungen umgewandelt durch das Gesetz Nr. 27 vom 24. April 2020 und das Gesetzesdekret Nr. 23 vom 8. April 2020 („decreto liquidità“).

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